Eine bunte Welt mit gefährlichen Schattenseiten
Kinder lieben Spielzeug – ob Plüschtiere, Puzzles oder Figuren mit blinkenden Lichtern. Doch was unschuldig aussieht, kann gefährlich sein. Eine aktuelle Schwerpunktaktion des Wiener Marktamts belegt: Fast jedes zweite kontrollierte Spielzeug in Billigläden wies gravierende Sicherheitsmängel auf. Dabei geht es nicht nur um ablösbare Knöpfe, sondern um chemische Gefahren, scharfe Kanten und fehlende CE-Kennzeichnungen.
Doch während der stationäre Handel regelmäßig kontrolliert wird, bleibt eine Quelle potenziell gefährlicher Spielwaren gänzlich unbeaufsichtigt: Onlineplattformen wie Temu, Alibaba, Wish oder Shein. Sie ermöglichen extrem günstige Käufe – oft direkt aus Fernost – aber ohne jegliche staatliche Sicherheitsprüfung.
Marktamt Wien deckt auf: Fast 50 % der Spielzeuge problematisch
Insgesamt wurden 102 Spielwaren aus 29 Geschäften überprüft. Das ernüchternde Ergebnis: 44 davon – also über 43 % – wurden beanstandet. Die Mängel reichten von verschluckbaren Kleinteilen über scharfe Kanten bis hin zu chemisch belasteten Materialien.
Typische Mängel:
- Augen oder Knöpfe, die sich leicht ablösen lassen
- Farben mit zu hohem Bleigehalt
- Weichmacher in Kunststoffteilen, die hormonell wirken können
- Schlecht verarbeitete Teile mit Schnittgefahr
Laut dem zuständigen Marktamtsdirektor Andreas Kutheil ist das Ziel klar: Kinder schützen – unabhängig vom Preis des Spielzeugs.
Gefahr durch chemische Stoffe: Unsichtbar, aber höchst bedenklich
Einige getestete Artikel enthielten Blei in den Farben oder nicht zugelassene Weichmacher. Diese Substanzen sind besonders gefährlich für kleine Kinder, weil:
- sie Spielsachen in den Mund nehmen
- die Haut dünn und durchlässig ist
- sich Gifte im Körper ansammeln können
Weichmacher (Phthalate) stehen im Verdacht, die Hormonentwicklung zu stören. Blei kann die Gehirnentwicklung beeinträchtigen und ist längst in Spielzeugen verboten – doch bei Billigprodukten taucht es immer wieder auf.
Gesetzliche Grundlage: Was darf überhaupt verkauft werden?
In der EU gelten strenge Vorgaben für Spielzeug:
- mechanische Sicherheit (keine losen Teile, scharfen Kanten)
- elektrische Sicherheit (kein Stromschlag-Risiko)
- chemische Sicherheit (keine Schadstoffe)
- CE-Kennzeichnung als Nachweis der Prüfung
Das LMSVG (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz) regelt in Österreich die Kontrolle dieser Produkte. Wird ein Spielzeug beanstandet, kann das Marktamt sofort handeln: Rückruf, Anzeige oder Verkaufsverbot.
Konsequenzen der Schwerpunktaktion
In der aktuellen Kontrolle wurden:
- 44 Spielzeuge aus dem Verkehr gezogen
- 30 Anzeigen erstattet – z. B. wegen fehlerhafter Kennzeichnung, Gewerbeverstößen, versperrter Fluchtwege
- Händler zur Nachbesserung verpflichtet
Der Aufwand ist groß, doch die Botschaft ist klar: Sicherheit geht vor – besonders bei Kinderspielzeug.
Das große Risiko bei Temu, Alibaba & Co.
Während der stationäre Handel regelmäßig überprüft wird, bleiben Privatkäufe aus Drittstaaten – z. B. bei Temu, Alibaba, Wish oder Shein – völlig unkontrolliert. Diese Plattformen locken mit extrem niedrigen Preisen, teils für wenige Euro inklusive Versand. Doch dabei gibt es keine Garantie, dass:
- Sicherheitsvorgaben eingehalten werden
- Materialien schadstofffrei sind
- scharfe Kanten oder Kleinteile ausreichend geprüft wurden
- eine CE-Kennzeichnung überhaupt korrekt ist
Warum ist das problematisch?
- Zoll und Marktamt kontrollieren nicht flächendeckend Einzelpakete
- Produkte aus Asien unterliegen nicht automatisch EU-Normen
- CE-Zeichen kann gefälscht oder missbräuchlich verwendet werden
- Rückgabe oder Rechtsansprüche sind oft unmöglich
Das bedeutet: Wer bei Temu oder Alibaba bestellt, trägt das volle Risiko – insbesondere, wenn es um Kinderspielzeug geht.
Beispielhafte Gefahren bei Online-Spielzeugkäufen
Eine Stichprobe des TÜV Rheinland ergab bereits 2023, dass rund 80 % der Spielwaren auf Wish oder AliExpress Mängel aufweisen – von giftigen Stoffen bis hin zu mechanischen Gefahren.
Häufige Probleme bei Online-Spielzeug:
- Spielzeug mit extrem scharfen Kanten
- Lackierte Teile, die beim Sabbern Farbe abgeben
- Elektronisches Spielzeug mit gefährlichen Knopfbatterien
- Kuscheltiere mit Glasaugen – können verschluckt werden
- Plagiate von bekannten Marken ohne Qualitätssicherung
Die Folge: Das scheinbare Schnäppchen kann schnell zu einem echten Risiko für Gesundheit und Leben werden.
Was Eltern und Käufer beachten sollten
Checkliste für sicheren Spielzeugkauf – besonders online:
- CE-Kennzeichnung prüfen (aber nicht blind vertrauen)
- Altersempfehlungen ernst nehmen
- Bewertungen und Herkunft kritisch lesen
- Produktfotos genau anschauen – lose Teile, billige Verarbeitung
- Riechtest: Starker Geruch = oft chemisch bedenklich
- Bei Unsicherheit lieber im Fachhandel kaufen
Tipp:
Verbraucherschutzportale wie Watchlist Internet oder Stiftung Warentest bieten regelmäßig Warnungen und Testberichte zu Spielzeug – auch bei Online-Käufen.
Brauchen wir eine neue Gesetzgebung?
Der Gesetzgeber in der EU steht vor einem Dilemma: Die Onlinebestellung einzelner Warenpakete unterliegt kaum Regulierung.
Lösungsansätze wären:
- Einfuhrbegrenzung für nicht zertifizierte Spielwaren
- Haftung von Plattformen wie Temu oder Alibaba für Produktmängel
- EU-weite Transparenzdatenbank für gefährliche Spielzeuge
- Pflichtzertifikate bei Spielzeugimporten
Sicherheit hat Vorrang – auch wenn’s mehr kostet
Die Kontrollen des Wiener Marktamts machen deutlich: Selbst im stationären Handel ist nicht alles sicher. Doch zumindest dort gibt es Kontrollmechanismen. Bei Onlineplattformen aus Drittländern hingegen sind Konsument:innen derzeit völlig auf sich allein gestellt.
Der Kauf von Spielzeug sollte nicht am Preis entschieden werden – sondern an der Sicherheit für das Kind. Denn was nützt das billigste Blinklicht, wenn es mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist?
Ihre Verantwortung als Konsument: Aktiv werden
- Melden Sie verdächtige Produkte an das Marktamt oder die AK
- Nutzen Sie Informationsportale zur Spielzeugsicherheit
- Sprechen Sie mit anderen Eltern über sicheres Spielzeug
- Fordern Sie Händler auf, sichere Ware zu verkaufen
- Achten Sie beim Kauf gezielt auf Qualität statt auf Schnäppchen
Quellen:
- ORF Wien: Marktamt beanstandet gefährliches Spielzeug (08.07.2025)
- TÜV Rheinland Produktsicherheit Spielzeug
- Watchlist Internet: Warnungen zu Online-Shops
- AGES – Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
- VKI - Verein für Konsumenteninformation